In meinen Recherchen zu Autos für ShareCast, unserem Podcast zu Daten und dem Teilen von diesen, bin ich immer wieder auf das Stichwort „vernetzt“ gestoßen. Während Autos früher vor allem durch mechanische Innovationen vorangetrieben wurden, sind es heute eher softwaregeleitete Progressionen, an deren vorläufigem Höhepunkt das vollautonome Fahren stehen könnte – und die die Branche in Atem halten. Hersteller, Versicherer, Berater, „Experten“ und Forscher: Alle kreisen um das magische V-Wort. Und mit dem Begriff „Vernetzung“ reden sie auch von den Datenströmen, die die hunderten Sensoren an den fahrenden Computern permanent sammeln. Vernetzung steht somit auch in Verbindung mit der Frage, wie man die durch Sensoren generierten Daten händelt.
In diesem Zusammenhang liegt es nahe, auch einmal an datentreuhänderische Lösungen zu denken. Und kurz war das tatsächlich der Fall: Die vergangene Bundesregierung hatte explizit in ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben, ein Treuhändermodell für Autodaten anzustreben. Im Kontext der GAIA-X-Infrastruktur war 2019 gar das als europäische Vorzeigeprojekt ausgewiesene Catena-X entstanden, ein Treuhänder, der die komplizierten und vielgliedrigen Lieferketten der Automobilindustrie resilienter machen soll. Der claim: „the first globally trusted and collaborative data ecosystem for the automotive industry.“ Gerade in einer Branche, in der Tausende Teile von Hunderten Akteuren weltweit in einem Produkt zusammenkommen, schien das ein vielversprechender Ausgangspunkt, um Lieferketten resilienter zu machen.
Doch entwickelt sich alles offenbar deutlich langsamer als gedacht, obwohl eine umfangreiche Liste namhafter Beteiligter dahintersteht. In einem Beitrag der Wirtschaftswoche aus dem vergangenen Jahr hieß es gar, das Projekt sei die „größte Luftnummer der deutschen Industrie“. Vorangegangen war eine mehrjährige Recherche, die eigentlich herausstellen sollte, wie es mit Catena-X konkret steht, aber immer wieder ins Leere lief. Niemand wollte offenbar mit den Journalisten reden. Ein zentrales Treuhändermodell in der Automobilbranche einzuführen, scheint vielleicht gleichermaßen attraktiv wie kompliziert zu sein: zu viele Akteure, zu viele unterschiedliche Interessen, zu komplexe Lieferketten.
Spiegelt der langwierige Prozess schlicht die enorme Komplexität wider? Oder deutet er darauf hin, dass es bereits funktionierende Lösungen gibt, die den Handlungsdruck verringern? Die Frage nach einem Treuhändermodell für Autodaten ist jedenfalls in den Hintergrund gerückt.
Der Digitalverband Bitkom hatte eine der selteneren Broschüren herausgegeben, die dezidiert die Frage untersuchen, ob und wie Datentreuhänder für die Branche interessant sein könnten. Darin heißt es hinsichtlich möglicher Funktionen für solche „Datenvermittlungsdienste“, sie könnten Daten anonymisieren, Datenformate harmonisieren, Datenaustausch neutral vermitteln oder als Datenbörse für Fahrzeughalter dienen. Eigentlich alles recht vielversprechend, oder etwa nicht? Doch selbst Paul Hannappel, der als einer der Verantwortlichen der Publikation firmiert, gab sich im Interview eher vorsichtig: Daten würden bereits geteilt, standardmäßig in B2B-Lösungen. Mit Werkstätten würden Daten geteilt, mit der öffentlichen Hand (Emissionsdaten, Verkehrsdaten etc.), aber die vielen auch begrifflichen Kämpfe um andere Datenmodelle führen eher in die Irre.In diesem Sinne sagte er, „Datentreuhänder, Datenintermediäre, dann gibt es Datenmarktplätze, also es wird ja mit ganz vielen Wörtern hier herumgeworfen, wo man, selbst ich, am Ende nicht mehr ganz genau unterscheiden kann, was ist jetzt eigentlich was?“ Dabei sei die entscheidende Frage aber letztlich immer: Wer braucht diese Modelle mehr als sie ihn kosten? Zögern ist ja auch eine Form von Antwort darauf.
Vielleicht geben die geopolitischen Veränderungen dem entschleunigten Thema neuen drive. Das Handelsblatt berichtete kürzlich – die Quelle ist ein „Insider“ – dass die Basistechnologie von Catena-X seit Herbst 2024 einsatzbereit sei, allerdings die kritische Masse an Nutzenden fehle. Insbesondere kleinere Zulieferer würden sich nicht anschließen. Damit bestätigt sich das Grundproblem. Gleichzeitig könnten etwa die Zollpolitik der US-Regierung dazu führen, dass dem Projekt ein Attraktivitätsboost zufällt – die Informationen über die ganz unterschiedlichen Zollpflichten der einzelnen Komponenten ließen sich über einen geteilten Datenraum deutlich leichter zusammentragen. Überhaupt sollten die Diskussionen um digitale Souveränität und europäische Lösungen Projekten wie Catena-X eher in die Hände spielen. Würde dann das schlummernde Ökosystem zum Leben erwachen?
Konstantin Schönfelder
