Dual Use

Das Stichwort „Dual Use“, also einer „doppelten“ Nutzbarkeit technischer Artefakte (und Produkte) entstammt der Friedens- und Konfliktforschung, hat inzwischen aber auch die Ebene der rechtlichen Regulation erreicht, namentlich im Feld von Außenwirtschaftsbeschränkungen: Staaten können die Ausfuhr von „Dual Use“-Technologie beschränken, und die EU tut dies auch u.a. durch die explizite Auflistung von Dual Use-Items.1 Das dem Begriff „Dual Use“ inhärente Leitbild ist das des Missbrauchs: Eine für erwünschte, zivile Nutzung konzipierte Technik könnte, unaufwändig umfunktioniert, auch in ungewollten, herstellerseitig oder gesellschaftlich fahrlässiger Weise nicht mitgedachten, Einsatzszenarien zum Einsatz kommen (militärischen Szenarien, aber auch terroristischen oder kriminellen). Es existieren verschiedene begriffliche Gegensatzpaare zur Beschreibung des missbräuchlichen Umkippens einer gebilligten Nutzungsform in eine, die problematisch ist: (a) zivil versus militärisch, (b) nützlich versus schädlich, (c) friedlich versus nicht-friedlich sowie (d) legitim versus illegitim.

Digitaltechnologie, also Software, Daten – sicher je nach Nutzbarkeit auch Hardware oder vielleicht sogar der bloße Zugang zu Datendiensten – erfüllt definitiv in vielen Fällen das Kriterium des „Dual Use“. Es dürfte sogar schwer sein, „Dual Use“ im Digitalbereich überhaupt jemals auszuschließen.

Auch die tradierte Vorstellung, bloße „Grundlagenforschung“ lasse sich von (ggf. bedenklichen) Anwendungen trennen, passt auf die Entwicklung von Algorithmik nicht. Insgesamt lässt sich somit das Konzept einer gut gemeinten oder neutralen Technik, die jenseits bestimmter Schwellenwerte „missbraucht“ wird, sehr schwer auf digitaltechnische Sachverhalte oder digitalwirtschaftliche Güter (etwa Lizenzen) übertragen. Die Nutzbarkeit digitaler Technologien ist zudem häufig besonders unfestgelegt, kontextabhängig und schwer voraussagbar. Daher wird der „Multi Use“ Charakter etwa von Künstlicher Intelligenz, automatisierter Datenanalyse oder Cloud-Infrastrukturen vielfach betont: Ein und dieselbe technische Lösung kann in ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern eingesetzt werden. Damit verschiebt sich in diesen Bereichen der Fokus von Dual Use-Betrachtungen: Nicht der gezielte, eher singuläre und jedenfalls spezialistische Missbrauch, sondern die (über)breite, von Entwicklern nicht überschaute Anschlussverwendung wird zum zentralen Problem.

Im Kontext von Datentreuhandmodellen ist zum einen der Hinweis auf den aktuellen Stand der Außenwirtschaftsbestimmungen der Bundesrepublik Deutschland von Interesse.2 Zum anderen kann der Hinweis auf die Dual Use-Regelungen der EU als Hintergrundinformation hilfreich sein. Für Forschungsprojekte gilt allerdings auch, dass sie jenseits solcher gesetzlich verpflichtenden Vorgaben des Außenwirtschaftsrechts den Dual Use-Aspekt möglicher Produkte oder Dienste mitdenken sollten.³ Ebenso könnten die Aktivitäten eines Datenvermittlungsdienstes (etwa die Verknüpfung von Daten mit dem Ziel, daraus ursprünglich nicht vorausgesehene Mehrwerte zu generieren) unter dem Dual Use-Aspekt zu prüfen und als möglicherweise kritisch zu diskutieren sein.

Andererseits eröffnen Datenintermediäre vielleicht auch neue Chancen der Steuerung von Missbrauchsrisiken und können es erleichtern, proaktiv mit der Dual Use-Problematik gewisser Datensätze umzugehen. Über Zugangsregeln und andere Sicherheitsregime könnten Datentreuhänder schließlich Formen des Datenteilens auch in Fällen ermöglichen, die tatsächlich unter dem Vorbehalt von Dual Use stehen.

Literatur

Verordnung (EU) 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Unionsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung der Durchfuhr und der Verbringung betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Neufassung). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32021R0821 [20.6.2025]
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: Außenwirtschaft. https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Gueterlisten/gueterlisten_node.html [20.6.2025]
Vgl. hierzu Heinrichs, Jan-Hendrik, Ergin Aslan, Serap, Alex, Karla, Brenneis, Andreas, Conradie, Niel Henk, Hähnel, Martin, Kropf, Mario, Kuck, Jochen, Lev, Ori, Philippi, Martina und Risse, Verena. 2025. Guideline on dual use and misuse of research for committees for ethics in security relevant research (KEFs). Verlag des Forschungszentrums Jülich. DOI: 10.34734/FZJ-2025-02029

Literatur zum Thema
Brenneis, Andreas (2024): Generative KI und Dual-Use: Risikobereiche und Beispiele. In: Verantwortungsblog. https://zevedi.de/generative-ki-und-dual-use-risikobereiche-und-beispiele/ [07.11.2024]. DOI: 10.60805/by6z-fb49
Brenneis, Andreas (2024): Assessing dual use risks in AI research: necessity, challenges and mitigation strategies. In: Research Ethics 21(2). DOI: 10.1177/17470161241267782