Datentreuhänder

Als Datentreuhänder werden natürliche oder juristische Personen verstanden, die als „Datenintermediäre“ den Zugang zu von Datentreugebern bereitgestellten oder bereitgehaltenen Daten nach vertraglich vereinbarten oder gesetzlich vorgegebenen Daten-Governance-Regelungen vermitteln und dabei im Fremdinteresse handeln. Es handelt sich dabei nicht um einen an strenge Voraussetzungen geknüpften Rechtsbegriff. Insbesondere geht es bei der Datentreuhand nicht – wie für den Begriff der Treuhand eigentlich kennzeichnend – unbedingt darum, dass ein Treugeber (der Dateninhaber oder die betroffene Person) dem Treuhänder Rechte überträgt oder Rechtsmacht anvertraut. Charakteristisch ist vielmehr, dass im Innenverhältnis nicht nur eine erhöhte Bindung des Treuhänders an die Interessen des Treugebers besteht, sondern dass diese fremdnützige Interessenwahrnehmung die Hauptpflicht des Rechtsverhältnisses darstellt (im Unterschied zu Leistungsaustauschverträgen und Kooperationsgeschäften). Entsprechend wird das Konzept der Datentreuhand eng mit der Erwartung eines vertrauensvollen, neutralen und häufig auch nicht-kommerziellen Teilens digitaler Daten verknüpft, indem Datentreuhänder vertrauensstiftend und ohne Eigeninteressen an den gemittelten Daten handeln (d.h. insbesondere ohne selbst die gemittelten Daten für eigene Zwecke zu nutzen). Dadurch sollen Datentreuhänder bei der Vermittlung von Marktakteuren helfen sowie die Anbahnung, Durchführung und Abwicklung von Transaktionen durch Bereitstellung marktrelevanter Informationen und technisch-organisatorischer Instrumente unterstützen. In diesem Sinne nimmt ein Datentreuhänder eine vermittelnde Position zwischen Datengebern und Datennehmern ein und versucht, den Datenaustausch so zu organisieren, dass die Interessen beider optimal gewahrt werden. Die Aufgaben des Datentreuhänders können dabei neben der bloßen Vermittlung z.B. auch den Datentransfer oder die Aufbereitung und Anonymisierung/Pseudonymisierung der Daten umfassen.

Damit kommt Datentreuhändern eine Schlüsselrolle zu, um den Datenaustausch in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu erleichtern und zu intensivieren. Sie sollen eine (europäische) Alternative zu den von Machtasymmetrien und Datenmonopolen geprägten Plattformökonomien der USA oder auch Chinas schaffen.

Im Einzelnen kommen Datentreuhändern vor allem vier zentrale Funktionen zu: Ihre Matchmaking-Funktion besteht darin, auf Grundlage profunder Marktkenntnis Anbieter und Nachfrager gegenseitig zu vermitteln und dadurch deren Suchkosten zu reduzieren. Des Weiteren kommt ihnen eine Unterstützungsfunktion zu, indem sie Marktteilnehmer bei der Anbahnung und Durchführung von Transaktionen unterstützen. Hierzu gehören die zentralisierte Sammlung und gebündelte Bereitstellung marktrelevanter Informationen, die Dokumentation von Transaktionen oder die Abwicklung von Zahlungen. Schließlich besteht ihre Vertrauensfunktion darin, Informationsasymmetrien abzubauen und opportunistisches Verhalten zu verhindern. So können sie vor Vertragsschluss Expertise bereitstellen, um Informationsdefizite abzubauen, oder vertrauensstiftende Maßnahmen zu implementieren (z.B. Prüfung von Teilnehmern auf Seriosität, Bereitstellung von Bewertungssystemen). Nach dem Vertragsschluss helfen sie bei der Überwachung der Vertragseinhaltung, wobei sich durch die Beteiligung an vielen Transaktionen Skalenvorteile realisieren lassen. Als eine vierte Funktion könnte man die Marktpluralisierung nennen, denn neutrale Intermediäre sollen bestimmte typische Effekte der „Plattformökonomie“ – ungewollte Datenabflüsse, ungewollte Sekundärgeschäfte auf Daten, Oligopolbildung – verhindern. In dieser Hinsicht sind Datentreuhandmodelle ein Instrument europäischer Datenmarktpolitik.

Literatur

Specht-Riemenschneider, Louisa, Blankertz, Aline, Sierek, Pascal, Schneider, Ruben, Knapp, Jakob und Henne, Theresa. 2021. „Die Datentreuhand. Ein Beitrag zur Modellbildung und rechtlichen Strukturierung zwecks Identifizierung der Regulierungserfordernisse für Datentreuhandmodelle.“ MMR-Beilage 6/2021: 25–48.

Buchheim, Johannes, Augsberg, Steffen und Gehring, Petra. 2022. „Transaktionsbasierte Datentreuhand.“ JuristenZeitung 77 (23): 1139–1147. DOI: 10.1628/jz-2022-0368.